Manchmal erleben wir Dinge in unserer Pflegestation, die schon fast unglaubwürdig klingen. Wenn wir es selber nicht mit erlebt hätten, könnte man solch eine Geschichte nur schwer glauben. So sonderbar ist es manchmal, was unseren Wildvögeln draußen in der Natur passieren kann. Eine besondere Geschichte möchte ich hiermit noch gerne nieder schreiben.
Es ereignete sich also folgender Maßen, dass ein Autofahrer mit seinem Fiat über die Autobahn fuhr. Seine Fahrtgeschwindigkeit betrug in etwa 100km/h und er konnte einen Zusammenstoß mit einem größeren Wildvogel deutlich wahrnehmen. Der tierliebe Fahrer fuhr zu einem späteren Zeitpunkt erneut zum Unfallort, weil er nach dem angefahrenen Tier Ausschau halten wollte. Doch er konnte nichts finden, war sich aber sicher einen Vogel angefahren zu haben. Am nächsten Morgen, etwa 15 Stunden später entdeckte der Fahrer völlig überraschend einen Jagdfasan vorne in seinem Kühlergrill. Er konnte allerdings diesen Vogel leider nur noch tot bergen. Für ihn war ganz klar, dass der schöne Fasanenhahn aufgrund des Aufpralls gestorben war. Doch bei dem Entfernen der Überreste des Tieres wurde der Autofahrer von einem weiteren Tier an den Händen blutig gekratzt. Sehr zu seinem Erstaunen fand der Mann einen weiteren Vogel, der offensichtlich noch lebte und wie ein Greifvogel aussah.
Völlig überfordert nahm der Autofahrer Kontakt zu mir auf und ich konnte den Rothabicht recht zügig aus seiner misslichen Lage befreien. Die Augen waren schlitzförmig geöffnet, denn der Vogel litt unter einem deutlich erkennbaren Schädeltrauma. Kein Wunder, denn das Tier fuhr sage und schreibe noch 45 Kilometer vorn im Auto mit. Jegliche Erschütterungen, Kurven und massiver Fahrtwind wirkten auf den Vogel ein. Dem Habicht wurde sofort ein Cortisonpräparat gespritzt, da er unter Schock stand und das Schädeltrauma als schwer einzustufen war.
schweres Schädeltrauma bei einem jungen Habicht
Interessant war, dass der Rothabicht mit seinem Körpergewicht von 654g einen ausgewachsenen Fasanenhahn erbeuten wollte. Denn ein Fasanenhahn kann schnell zwischen 800g und 1000g oder mehr wiegen.
Trotz Schock und Verletzung nahm der Habicht zwei Tage später wieder selbstständig Futter auf. Sein Gefieder hat trotz des Unfalls keinen ernsthaften Schaden genommen, selbst die langen Schwanzfedern waren nicht geknickt oder abgebrochen. Der Vogel wies auch keinerlei Knochenbrüche auf. Aber er zeigte durch den Aufprall auf beiden Augen Einblutungen in der vorderen Augenkammer. Besonders das rechte Auge war hier stark betroffen, ein Pupillenreflex konnte bei der ersten Untersuchung nicht festgestellt werden.
schwerwiegende Augenverletzung mit Einblutung
Täglich bekam der Vogel Arnica gespritzt und ich wartete ab, wie sich die Augenverletzung weiter entwickeln würde. Eine eingehende Augenuntersuchung war am frisch verunfallten Tier unmöglich, da das Blut jegliche Sicht in das Augeninnere verhinderte. 15 Tage nach dem Unfall konnte das Auge einer Untersuchung unterzogen werden. Es stellte sich dabei heraus, dass der Habicht einen Grauen Star entwickelt hatte, in diesem Fall handelte es sich um eine traumatische Katarakt.
Die traumatische Katarakt (grauer Bereich in der Pupillenmitte)
Der Habicht zeigte zudem eine Pupillenerweiterung (Mydriasis), welche auf einen fehlenden Pupillenreflex hinweist. Selbst nach zwei Wochen konnte recht viel Blut im Glaskörper festgestellt werden, somit war die Netzhaut praktisch nicht sichtbar. Doch bei der Augenuntersuchung war leider schon sicher, dass der Habicht fast vollständig auf dem rechten Auge erblindet war (amaurotische Pupillenstarre). Dies konnte ich auch in den vergangenen Tagen immer wieder an den unkoordinierten Bewegungsabläufen des Tieres beobachten.
Flugtests in der Voliere ergaben, dass er zwar die Sitzstangen erreichen konnte, aber dennoch häufig zu unkoordiniert sehen konnte. Häufig hielt er den Kopf schräg, da sein Blickfeld eingeschränkt war. Das Einfangen in der geschlossenen Voliere war sehr einfach, man konnte den Vogel, wenn man von der „richtigen“ Seite an ihn herantrat, ohne Probleme von der Sitzstange greifen. Ein deutliches Indiz, dass der Vogel nicht mehr wildbahnfähig ist. Trotz der tollen Rettung des Patienten musste wir den Habicht nun euthanasieren (einschläfern) lassen, da er nicht mehr wildbahnfähig geworden wäre.
weiter sehen Sie hier Kurzvideos mit ähnlichen Fällen.
Ein ähnlicher Fall, hier mit einem Uhu:
Hier ein Fall mit einem Rabengeier:
Streifenkauz im Kühlergrill – diese Eulenart scheint häufiger im Auto zu „landen“
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