Er ähnelt im Aussehen einer Eule und ist auch genauso wie diese dämmerungs- und nachtaktiv. Das Gefieder weist rindenartige Zeichnung auf und ist genauso weich wie bei Eulen. Es handelt sich um einen Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus) und diese Vogelart gehört zu der Familie der Nachtschwalben.
Aufgrund seiner Lebensweise und Habitatansprüche lebt er heimlich und ist daher vielen Menschen gar nicht bekannt. Den Tag verbringt der Tarnungsspezialist ruhend auf Ästen, Baumstümpfen oder direkt am Boden. Da das Tier so gut getarnt ist, ist die Frage durchaus berechtigt, wie man diesen Vogel überhaupt verletzt auffinden konnte.
In diesem Fall hat ein Hund den Vogel am Straßenrand aufgeschreckt. Der nachtaktive Vogel muss kurz zuvor vermutlich einen Flugunfall erlitten haben und konnte nicht mehr richtig fliehen. Die Biologin Daniela Specht beobachtete dies zufällig und konnte das verletzte Tier sofort bergen. Bei unserem Ziegenmelker handelte es sich um ein ausgewachsenes diesjähriges Jungtier.
Leider hatte er sich durch den Unfall ein Beinchen gebrochen und musste zunächst tierärztlich versorgt werden. Nach mehreren Tagen Pflegezeit wurde mir dieser spezielle insektenfressende Vogel anvertraut. Ziegenmelker hatte ich zuletzt im Brachter Wald (im Kreis Viersen) in freier Natur beobachten können. Es war schon sehr interessant nun ergänzend genau diese Vogelart aus nächster Nähe erleben zu können. Vom Körperbau her erinnerte er mich sehr an einen Kuckuck, aber gleichzeitig auch an Mauersegler. Die Füße waren ähnlich klein und die Flügelform spitz zulaufend, das Schwanzgefieder verhältnismäßig lang, der Rachen und Schnabel ähnlich geformt wie beim Mauersegler.
Das Körpergewicht liegt bei dieser Vogelart in der Regel unter 100g. „Unserer“ wog in diesem Fall um die 80g. Das Wiegen auf einer normalen Digitalwaage war nicht vernünftig zu realsieren, da der Vogel immer Fluchtverhalten zeigte und nicht still sitzen bleiben wollte. Daher nutzten wir die gleiche Methode, wie sie von Beringern häufig genutzt wird. Auch wenns nicht so nett aussieht, für den Wildvogel ist es die schonenste Art und Weise zum Wiegen.

Da der Vogel sich aufgrund der Beinfraktur „schonen“ musste, brauchte dieser nur eine kleine künstliche Behausung. Eine Voliere wäre viel zu groß gewesen und die Nahrungsaufnahme unter künstlichen Haltungsbedingungen zu ungewiss.
Die Unterbringung
Da ein Ziegenmelker ein Zugvogel ist (Langstreckenzieher) gilt die oberste Priorität – es darf kein einziger Knick an die Federn kommen! Daher wurde er in einer Plastikbox untergebracht, die rundum glatte Wände aufwies. Solch eine Plastikbox sollte mind. 30 cm hoch sein, insbesondere dann, wenn man auch einen Sitzstamm mit hinein legt. Gitterstäbe wären das Schlimmste für solch einen empfindlichen Wildvogel und dürfen niemals bei der Haltung eingesetzt werden!

Der Untergrund sollte bei der Haltung sehr weich sein, man kann Handtücher oder Küchenpapier auslegen. Es muss Kot aufsaugen können und es dürfen keine Kanten enstehen, an denen der Vogel sich die Federn abbrechen kann. Das Schwanzgefieder ist sehr empfindlich, es ist aber für den Vogel überlebenswichtig, daher mein ausdrücklicher Hinweis, die Federn müssen hohe Beachtung bekommen.
Was frißt ein Ziegenmelker in Gefangenschaft?
Als nachtaktiver Insektenfresser nimmt er in der Natur vornehmlich Nachtfalter und andere Großinsekten als Nahrung auf. Doch dieses Futter lässt sich nicht so einfach besorgen. Daher wird improvisiert und folgende Futterauswahl bereit gestellt: große Heimchen, große Grillen, Mehlwürmer, Mehlwurmpuppen, frisch gehäutete Mehlwurmkäfer und Wachsraupen (Drohnenbrut wäre ebenfalls ergänzend möglich).
Ich bestellte daher beim Futtermittelhändler Palmowski die benötigten Insekten. Denn in dieses große Mäulchen passt viel hinein.
Wie viel frisst ein Ziegenmelker?
Gute Frage – die haben wir uns auch gestellt. Recherchen haben ergeben, dass es keiner so genau beantworten kann. Aber man muss sich eben selbst helfen können. Eine Gewichtstabelle wurde von mir fortan geführt – das heißt also täglich wiegen und dabei beobachten wie viel der Kleine futtert, um sein Gewicht zu halten. Der Ernährungszustand kann durch abtasten der Brust ebenfalls beurteilt werden. Ich konnte täglich 10 große Grillen, 35 große Heimchen, sowie 10 bis 20 Mehlwürmer geben. Diese Angaben sollen nur als grobe Vorstellung dienen, wie viele Insekten solch ein Vogel täglich benötigt. Da das Futter beste Qualität aufweisen muss, um den Vogel am Leben zu halten, füttere ich vorher die Futterinsekten mit entsprechendem Grünfutter. Nur dann sind die Heimchen oder Grillen nahrhaft. Die Futterinsekten habe ich erst kurz vor der Fütterung getötet und dann sofort verfüttert. So waren sie sehr frisch und besonders gut für den Vogel. Die Grillen wurden besser geschluckt als die großen Heimchen, vermutlich weil die Grillen insgesamt weicher sind. Bei der Fütterung von Drohnenbrut konnte ich manchmal weicheren Kot beobachten. Ziegenmelker trinken nicht aus Wasserschalen, sie decken in der Natur ihren Flüssigkeitshaushalt nur über die gefangenen Insekten.
Durchführung der Fütterung
Bei der Fütterung selbst wickelte ich stets ein kleines Tuch um den Vogel, um ihn nicht mit meinen Händen direkt zu berühren. Sein empfindliches Gefieder muss absolut geschont werden. Alternativ fasst man den Vogel mit Latexhandschuhen an.
Hierzu gehört auch, dass der Kontakt zur menschlichen Hand unbedingt reduziert bzw. vermieden werden sollte. Die Fütterungen wurden stets zu seiner Aktivitätsphase durchgeführt – also abends, nachts und morgens. Ich öffnete den Schnabel vorsichtig und steckte die Insekten abgetötet und leicht befeuchtet mit einer Plastikpinzette in das große Mäulchen hinein. Mit den eigenen Fingern sollte man den Rachen nicht berühren, da ansonsten Keime eintreten könnten, die dem Vogel schaden könnten. Wer schon einmal Mauersegler gefüttert hat, kann sich die Fütterung solch eines Vogels am Besten vorstellen, da es viele Parallelen gibt. Der Schnabel ist sehr dünn und empfindlich, hier muss immer sehr vorsichtig vorgegangen werden, damit man ihn nicht verletzt.
Längere Haltung in Gefangenschaft?
Diese Vogelart sollte nicht in verdrahteten Volieren gehalten werden, da sonst das Gefieder recht schnell zu Bruch geht. Geschlossene Räumlichkeiten sind daher tatsächlich eine Alternative, wenn der Vogel fliegen kann. Die Nutzung einer sogenannten Moonlamp (z. B. aus dem Reptilienbedarf) ist geeignet, denn hier halten sich die Insekten vornehmlich an der Lampe auf und der Ziegenmelker kann sie wie im folgenden Video selbst fangen. Es ist uns nicht bekannt, dass ein Ziegenmelker abgetötete Insekten aus einem Napf pickt
Eine Haltung über längere Zeit in Gefangenschaft sollte unter allen Umständen vermieden werden, da es sich um eine hochspezialisierte und empfindliche Wildvogelart handelt.
Die Freilassung
Die Freilassung von solch einem nachtaktiven Vogel ist wenig spektakulär. Man sollte ihn unbedingt erst frei lassen, wenn es fast dunkel ist. Denn das ist die richtige Zeit für den Ziegenmelker. Man wirft so einen Vogel nicht in die Luft, damit er endlich los fliegen kann. Solch ein Vogel wird an geeigneter Stelle, in dem Fall in der Nähe des Fundortes, wieder frei gelassen. Man setzt ihn dafür auf den Boden, denn dort fühlt er sich sicher und vertraut auf seine Tarnung. Genau wie Greifvögel und Eulen mag er keine hektischen Bewegungen, denn die machen dem Tier Angst. Wenn man alles schön langsam und bedacht macht, wird er selbst entscheiden, wann er los fliegen möchte. Bei der Freilassung unseres Pfleglings durch die Finderin selbst, dauerte es nur wenige Sekunden, da hob der Kleine ab. Hoffentlich in ein unbeschwertes und langes Leben.
Für mich persönlich war es eine tolle Erfahrung solch einen Vogel zu pflegen. Doch es muss jedem Pfleger wirklich bewusst sein, dass man sehr viel Verantwortung trägt. Ziegenmelker gehören nicht in Laienhände! Besonders hilfreich ist es, wenn man schon Erfahrungen mit der Pflege von Mauerseglern hat, denn ein Ziegenmelker kann man quasi als „Riesenmauersegler“ betrachten, da das Handling sehr ähnlich ist.
Wie findet man Ziegenmelker in der Natur?
Mit Hilfe seines Gesanges kann man ihm auf die Spur kommen
Hallo Sylvia,
vielen Dank für den interessanten Bericht über Deinen kleinen, in unserer Gegend so seltenen Schützling!
Es ist so toll, mit wieviel Enganement Du Dich darum bemüht hast, die speziellen Bedürfnisse des gefiederten Patienten in Erfahrung zu bringen und ihnen gerecht zu werden. Beeindruckend, was so ein kleiner Vogel täglich futtern kann! Und es freut mich sehr, dass es Dir gelungen ist, ihn trotz schwerer Verletzung und Untergewicht gesund zu pflegen.
Sicher war der Moment der Freilassung des Ziegenmelkers – und sein schneller Start in eine hoffentlich gute Zukunft – für Dich und die Finderin der schönste Dank für Euren Einsatz!
Das Video wird hier mit Spannung erwartet!
Herzliche Grüße
Barbara
Hallo Sylvia,
hab grade erst den Artikel gelesen. Hast du mal wieder super erklärt und ganz toll beschrieben .Der Kleine hat dir ja viel Arbeit bereitet hat sich aber auf jeden Fall gelohnt, wie ich finde. So was sieht man echt nur bei dir. Echt cool das ich dich kennen gelernt habe, bei dir lernt man einiges(kennen) :-).
Viele liebe Grüße