Ja, Sie haben richtig gelesen, ein Brutplatz kann sich auch fortbewegen, wenn sich zum Beispiel der Nistplatz auf einem Fahrzeug befindet. In diesem Fall wählte ein Wanderfalkenpaar zum wiederholten Male einen Bagger im Braunkohletagebau als Brutplatzmöglichkeit. Dieser besonders ausgefallene Brutplatz zeigt uns, wie anpassungsfähig Wanderfalken sein können.
Auch Rabenkrähen haben schon auf solchen Fahrzeugen gebrütet. So ist ein Tagebau ein absolut perfekter Lebensraum für Wanderfalken und andere Wildvögel. Nur fehlt es häufig an praktischen Brutmöglichkeiten. Gebäude oder große Bäume fehlen in der Regel in Braunkohletagebauten. Schon vor über zwölf Jahren wurden sogenannte „Baggerbruten“ dokumentiert. Die Mitarbeiter von RWE Power achten auf die Greifvögel sehr genau und sind froh über alle vorkommenden Tiere im Tagebau. Interessant ist immer wieder, wie ungestört an Lärm und Schmutz, sowie fahrenden Geräten wilde Wanderfalken ihre Jungen aufziehen. Doch diesmal kam es zu einer Komplikation, der ausgewählte Bagger musste repariert werden und dies ungünstiger Weise während der Brutphase genau im Bereich des Nistplatzes. Ein Jungtier, welches ca. drei Wochen alt war, musste daher geborgen werden und kam zu uns in die Station.
Sie hatte wirklich großen Appetit, was völlig normal ist, wenn ein so großer Greifvogel im Wachstum ist. In diesem Alter befindet sich solch ein Nestling in einer sehr sensiblen Phase und eine Fehlprägung auf den Menschen muss in jedem Falle vermieden werden. Das heißt also eine Fütterung darf nur so stattfinden, dass der Jungvogel den menschlichen Futtergeber dabei nicht sehen kann. Nun musste nach einer Ersatzfamilie gesucht werden. Nicht ganz einfach, da schon viele Jungfalken an anderen Nistplätzen deutlich weiter entwickelt und somit älter waren. Die Geschwistergröße bzw. das Alter sollte wenn möglich angepasst sein, damit eine Adoption erfolgreich sein wird. Eine passende Familie konnte in Mönchengladbach gefunden werden. Übrigens ist es ein Irrglaube, dass der menschliche Geruch nach dem Anfassen eines Jungvogels ein Problem dar stellt und daraufhin nicht mehr von den Elterntieren angenommen wird. INnerhalb von nur sechs Tagen hat Madame bei uns in der Station rund 180g zugelegt. Zwar wunderten sich die neuen Geschwister bestimmt über den plötzlichen Familienzuwachs, doch es gab keinerlei Akzeptanzprobleme.
Weitere neun Tage später wurden die drei Falkenjungen mit individuellen Ringen versehen. Für uns war es ein wichtiger und schöner Moment, denn wir konnten bei diesem kurzen Eingriff am neuen Nistplatz unsere Falkendame noch einmal besuchen. Die Adoption war also erfolgreich verlaufen, sie wurde von den neuen Eltern sofort akzeptiert und reichlich gefüttert. Ein letztes Mal wurde sie in menschliche Hände genommen, gewogen und vermessen.
Diese Werte sind wichtig für die Beringungsdaten, da es sich um eine wissenschaftliche Beringung der Vogelwarte handelt. Ganz ohne Protest der Eltern geht allerdings solch ein Besuch am Brutplatz nicht.
Sie stellte sich auf der Plattform vor dem Nistkasten ab und meckerte lauthals los.
Alle Jungfalken waren kräftig und gut genährt und werden in wenigen Wochen ihre ersten Flüge über Mönchengladbach absolvieren und das Jagen beigebracht bekommen.
Was wir nicht wussten, dass wir unsere Falkendame sogar ein drittes Mal sehen würden. Denn bei einer ihren ersten Flugversuche, bekam sie noch nicht richtig die Kurve. So landete sie am Fuße der evang. Kirche in Rheydt und schaffte den Weg nicht mehr hoch. Die Feuerwehr aus Mönchengladbach kennt schon langsam diese Situation, denn sie fängt immer wieder mal einen flugunfähigen Falken ein. Da das Jungtier beringt war, waren wir uns ganz sicher woher sie stammte. Ich konnte mir die Bemerkung nicht kneifen, dass doch der Falke zufälligerweise mein Namenskürzel auf dem Ring trug. So stand unter anderen US auf dem Ring.
Wanderfalken können ein Höchstalter von 15 bis 19 Jahre erreichen (Mebs – Schmidt Greifvögel Europas) und sind dafür bekannt im Sturzflug Spitzengeschwindigkeiten zu erreichen.
Zum Abschluss sei noch erwähnt, dass Wanderfalken als Fundtiere sofort in fachkundige Hände gehören. Jungvögel sollten so schnell wie möglich zum Brutplatz zurück gebracht werden, sofern sie unverletzt und gesund sind. Besonders wichtig ist, dass auch Tierärzte bei der Aufnahme solcher Patienten immer nach dem Fundort fragen. In einigen Fällen tragen die Falken keine Beringung an den Beinen und dann kann man dem Jungvogel bei der Rückführung zu den Eltern nicht richtig helfen, da man nicht weiß woher dieser stammt. Der Anschluss zur Familie ist allerdings überlebenswichtig.