Die Wildflugmethode ist keine Erfindung von uns, sondern eine altbekannte Methode aus der Falknerei, um junge Greifvögel optimal zu trainieren. Falkner kennen die Methode, doch einigen Menschen ist diese völlig unbekannt.
Was ist überhaupt mit der sogenannten Wildflugmethode gemeint?
Hier meint man die Freilassung von Greifvogel- und Eulenjungtieren mit unterstützender Fütterung über einige Wochen hinweg. In der Sommerzeit werden in fast jeder Greifvogel-Auffangstation verwaiste Jungtiere als Fundtiere abgegeben. Wenn ein Zurücksetzen am Fundort nicht möglich ist, müssen diese durch den Menschen aufgezogen werden. Der Wildflug ist mit Altvögeln nicht möglich und bezieht sich immer auf Jungtiere! Die Wildflugmethode kann auch bei anderen Vogelarten durchgeführt werden und ist zum Beispiel bei Singvögeln, Tauben oder Rabenvögeln ebenso möglich.
Bei welchen Arten wird diese Freilassungsart durchgeführt?
Es kann mit Greifvogel- und Eulenjungtieren gut praktiziert werden. Steinkauz- und Schleiereulenjungtiere werden von uns in die Nistkästen zurückgesetzt oder in eine andere passende Familie eines erreichbaren Nistkastens per Adoptionsverfahren hinzu gesetzt. Daher bleiben die beiden genannten Eulenarten nie zur kompletten Aufzucht bei uns, da eine Elternaufzucht der künstlichen IMMER vorzuziehen ist. Etwas ärgerlich ist allerdings, wenn vorhandene Nistkästen zwar da sind, aber in nahezu unerreichbaren Höhen montiert wurden. Der Wildflug mit Eulen wird von uns mit Waldkäuzen und selten mit Waldohreulenjungtieren praktiziert. Diese Eulenarten sind häufig nicht zurück zu setzen (hohe unerreichbare Brutplätze), wenn sie als Nestling vom Brutplatz herunter gefallen sind. Ästlingsvögel können wenn sie unverletzt und munter sind immer zurück gesetzt werden, hier reicht nur die Nähe zum Brutplatz, sie werden trotzdem weiter mit Futter versorgt. Da die Vögel in der Phase schon recht groß sind, aber noch nicht flugfähig, können sie in einem Baum (möglichst ein belaubter oder Nadelbaum/Tujas, bei Falken in der Stadt gehen auch Flachdächer o. ä.) gesetzt werden.

Das Zurücksetzen erfolgt auf breiten Ästen in Baumstammnähe, bei Eulen natürlich erst ab der Dämmerung, nicht tagsüber! Bei Greifvögeln kann es passieren, dass ein kompletter Horst abstürzt (zum Beispiel durch ein Unwetter).
Hier haben wir ein Beispiel für Sie wie man eine Rückführung eines Mäusebussardes zu seiner Familie durchführen kann.
Wenn eine Anbringung eines Kunsthorstes an gleicher Stelle nicht zu realisieren ist, müssen die Tiere in einer Pflegestation aufgenommen werden. Der Wildflug kann mit Sperbern, Habichten, Mäusebussarden, Wespenbussarden, Baumfalken oder Turmfalken durchgeführt werden. Zu Wespenbussarden und Milanen haben wir keine Erfahrungswerte bisher sammeln können. Da die häufigste aufgefundene Greifvogelart Turmfalken sind, wird bei dieser Art jedes Jahr die Wildflugmethode angewandt. Turmfalken sind regelmäßig Gebäudebrüter und werden daher schneller aufgegriffen, als heimlich lebende Arten aus Wäldern bzw. Waldrandbreichen oder offenen Feldern (Weihen).
Welche Vor- und Nachteile haben wir bei der Wildflugmethode, gegenüber der reinen Volierenaufzucht? Der Wildflug ist keinesfalls mit der Volierenaufzucht vergleichbar!
VORTEILE | NACHTEILE |
Herausragende Flugleistungen, welche für das Jagen auf Beute überlebenswichtig ist | Man benötigt den passenden Lebensraum bzw. das korrekte Grundstück für den Wildflug |
Die Vögel gewöhnen sich an äußere Eindrücke wie Feinde erkennen, in der Gruppe warnen sie sich gegenseitig | Der Wildflug ist in Waldrandnähe nicht durchzuführen, da die Verluste durch Habicht-, und Bussardangriffe vorprogrammiert sind. |
Lernen Wetterumstände wie Thermik, Winde sowie Regen kennen | Bettelnde Jungtiere können sehr laut werden, was zwar normal ist, aber für Nachbarn als Lärmbelästigung angesehen werden könnte |
Lernen spielerisch das Jagen | Nachbarn könnten sich durch Kotausscheidungen belästigt fühlen |
Der Turmfalke kann das Rütteln nur so erlernen und perfektionieren | Für Eulen und Sperbern muss unbedingt genug Deckung vorhanden sein |
Sturzflüge aus hohen Bäumen oder Gebäuden können frühzeitig erlernt werden | Die Tiere sind auf tägliche Futtergaben, teils auf „Fütterungszeiten“ angewiesen |
Eulen benötigen sehr viel Zeit und Anleitung in der Natur, um später überleben zu können | Falknereien riskieren, dass die Jungvögel sich das Futter bei anderen Greifvögeln klauen möchten, es kann zu Zwischenfällen kommen |
Die Tiere haben einen Bezugspunkt, an den sie jederzeit zurück kehren können | Die Wildflugmethode kann in der Regel nicht mit mehreren Arten kombiniert durchgeführt werden (Feindbild). |
Lernen Konflikte lösen, wie das Vorhandensein von Rabenvögeln, anderen Greifvögel, Katzen, Hunden oder Singvogelattacken | Der Wildflug ist optimalerweise mit mehreren Tieren der gleichen Art durchzuführen |
Es ist hygienischer bzgl. der Ausscheidungen, die in einer Voliere erhebliche Ausmaße nehmen können | Die Wildflugmethode ist für Anfänger oder Laien nicht geeignet. Eulen in den Wildflug zu stellen ist besonders anspruchsvoll |
Das Gefieder bleibt im sehr guten Zustand | |
Der Wildflug ahmt die Natur fast 1 zu 1 nach und kommt der Bettelflugperiode gleich. Die Vögel kommen zur richtigen Jahreszeit in die freie Wildbahn | Wenn der Uhu-Bestand sehr hoch ist, wird die Auswilderung von kleineren Eulenarten häufig aussichtslos und scheitert. Uhus erbeuten andere Eulen. |
In einer ausschließlichen Volierenhaltung können Falkenarten keine ausreichende Flugmuskulatur und vor allem die benötigte Fitness aufbauen. In Volieren werden sie meist satt gefüttert und bewegen sich nur wenn es notwendig ist, sicher viel weniger als draußen. Gleiches gilt auch für Sperber, diese müssen erst mal lernen wie sie aus dem Hinterhalt in welchem Tempo fliegen müssen, um dann Beute machen zu können. Die Wildlflugzeit von Sperbern dauert in etwa genauso lange wie bei Turmfalken. Sperber müssen lernen Wildvögel zu erbeuten, daher ist bei einer Handaufzucht die Wildflugmethode zwingend notwendig, da sie in einer Voliere aus tierschutzgründen nicht mit lebender Beute konfrontiert werden dürfen. Ihre Jagdfähigkeiten erlernen sie im Wildflug von ganz alleine und sind in keiner Voliere möglich.

Rüttelflüge oder Sturzflüge sind in begrenztem Raum wie in Volieren nicht mögich, wären aber überlebenswichtig, um erfolgreich jagen zu können. Meistens werden die Tiere durch den Menschen zusätzlich mit Futter überversorgt und sitzen den ganzen Tag zur Verdauung herum. Dies stellt für den Langstrecken-Zugvogel wie dem Baumfalken ein besonderes Problem dar, da diese nach der Freilassung meist recht zügig viele tausend Kilometer schaffen müssen. Aus einer Volierenhaltung ist diese Leistung nicht zu schaffen. Baumfalken müssen zwingend über den Wildflug ausgewildert werden, damit sie diese Leistung erbringen können. Ohne Wildflug ist der Baumfalke ein Todeskandidat. Baumfalken können zum Beispiel in der Horizontalen bis zu 200km/h schnell fliegen, das geht nur im freien Luftraum zu verwirklichen. Außerdem spüren Zugvögel den richtigen Moment des Abzuges und nicht der Mensch. Wenn sich die Schwalben am Himmel versammeln, muss der Baumfalke schon im Wildflug stehen.
Eulenvögel sind etwas begriffsstutzig und wissen nach der Freilassung aus einer Voliere heraus in der Regel nicht, wo nach Nagetieren in der Natur gesucht wird. Sie werden zu oft verhungern, da sie nur lediglich fliegen konnten, mehr aber nicht. Nur einzelne Individuen können diese Freilassungsmethode schaffen. Das „Aussetzen“ von Jungtieren von einer Voliere in unbekannter Region ist ohne Hilfestellung durch Elterntiere so schwierig, dass es hier schnell zu Todesfällen kommt. Bei der kontrollierten Wildflugmethode kennen die Tiere bereits ihre Umgebung mit guten Rückzugsmöglichkeiten. Kommt der Uhu im Bestand vor ort recht häufig vor, könnte der Wildflug mit kleineren Eulen aussichtslos werden. Uhus erbeuten häufiger Waldohreulen und Waldkäuze.

Wenn sie sich selbstständig mit Nahrung versorgen können, suchen sie ihren Freilassungsort nicht mehr so häufig oder gar nicht auf. Die Hauptfreilassungszeit bei Turmfalken findet im Monat Juni/Anfang Juli statt, genau wie es in der Natur ablaufen würde. Wichtig ist, dass die Turmfalken bis Ende Juli selbstständig sind, da es ansonsten viel gefährlicher wird, da die Habichtsartigen wie Habichte und Sperber in der Natur ausgeflogen und selbstständig sind. Die Wahrscheinlichkeit steigt stark an von einem dieser Greifvögel draußen getötet zu werden, da die Falken keine Gefahren in der Voliere kennen gelernt haben.
Die Wildflug-Auswilderungsmethode kann natürlich auch im Ausland mit anderen Vogelarten durchgeführt werden. So haben wir zum Beispiel einen Eulenfinder in Namibia betreut, welcher die Wildflugmethode erfolgreich mit einem Fleckenuhu durchführte.
Die aufgezeigte Methode orientiert sich komplett an der Natur, die Hilfestellung durch Menschen dauert also ähnlich lange, wie in der Natur die Bettelflugperiode. Bei Waldkäuzen und Eulen sprechen wir zum Beispiel von einer notwendiggen Begleitung von ca. zwei Monaten! Das sollte jedem bewusst sein, da kann man nicht mal eben im Sommer in den Urlaub fahren. Die Waldkäuze sind in der Regel mitte Juli komplett selbstständig und haben alles erlernt. Sperber und Habichte werden schneller selbstständig als Eulen. Turmfalken müssen mind. vier Wochen menschliche Unterstützung bekommen, bevor sie alleine in der Natur überleben können.

Bei den Futtergaben für Taggreifvögeln muss man auch darauf achten, dass das Futter nicht von den Rabenvögeln genommen wird. Rabenvögel haben z. B. zur Turmfalkenzeit auch selbst hungrige Jungtiere, die ebenfalls Fleisch fressen möchten. Bei uns haben es die Elstern und Eichelhäher jedes Jahr schnell begriffen, wann bei uns die Fütterungszeiten sind.

Bei Eulenfütterungen sollte man erst nach 21 Uhr das Futter auslegen, da es sonst die Rabenvögel längst für sich beansprucht haben. Was nachts von den Eulen nicht genommen wird, wird morgens sofort von Rabenvögeln entdeckt. Unsere frühesten Elstern und Krähen waren kurz nach 6 Uhr morgens am Futterplatz und suchten nach Resten der Nachtfütterung.
Die Überwachung von Eulenvögeln führen wir mit Hilfe von Nachtkameras (Infrarotlicht) durch, da es bei nachtaktiven Tieren sonst recht schwierig ist ihr Verhalten genau zu beobachten und darauf zu reagieren. Wir selbst können gut auf den Videos sehen, wie die Eulen immer schneller bei der Abholung des Futters werden, bzw. wie oft sie die menschliche Unterstützung annehmen. Der Wildflug kann mit Waldkäuzen und Turmfalken und Sperbern übergreifend statt finden und schließt sich nicht zwangsläufig aus. Es ist aber nur möglich, wenn es genügend Deckung in der Umgebung gibt. Im Juli sind die Waldkäuze in der Regel schon fast selbstständig.
Der Wildflug mit Waldkäuzen und Steinkäuzen gleichzeitig schließt sich aus, da Steinkäuze den Waldkauz als natürlichen Feind in der Natur haben! Steinkäuze sollten nicht in einer Voliere sitzen und Waldkäuze im Wildflug sehen können, dies würde ihnen Angst einflössen.
Wir Menschen schätzen häufig den Umgang mit Wildvögeln falsch ein!
Interessant ist, dass viele Menschen die Wildvögel mit großer Regelmäßigkeit falsch einschätzen. Jungtiere, die bereits sicher auf den Beinen stehen können, können alleine Fressen und müssen nicht mehr mit einer Pinzette gefüttert werden. Dies wird sehr häufig von Laien falsch eingeschätzt und sie werden viel zu lange mit der Hand gefüttert. Die Gabe von nackten Mäusen oder gar abgezogenen Mäusen ist nicht sinnvoll bei der Aufzucht! Die alleinige Aufzucht mit Eintagsküken ist ebenso nicht richtig und kann Mangelernährung und anschließende Federdefekte hervorrufen. Das Gefieder ist deutlich instabiler, wenn man Jungtiere nur mit Eintagsküken aufzieht.
Sind die Jungtiere dann groß, glaubt man dann aber, dass sie sofort in der Natur überlebensfähig sind. Doch hierzu gehört die Wildbahnfähigkeit, welche sich nicht mit bloßem Fliegen der Tiere kennzeichnet. Die Vögel müssen in der Natur lernen wo man Beute finden kann. Zum Beispiel ist es bekannt, dass Greifvögel im Ultravioletten Bereich sehen können und daher Mäuseharn sich farblich darstellt und sichtbar für die Vögel wird.
Dies verspricht dann bessere Erfolgsaussichten bei der Jagd auf die Nager. Doch alles muss erlernt und umgesetzt werden. Genauso wie das Erkennen von gefährlich werdenen Greifvögeln. In der Natur fressen stärkere und größere Greifvögel die kleineren auf. Somit kann der kleinere Turmfalke oder Sperber schnell ein Opfer eines größeren Greifvogels werden. Bei „Gruppen-Auswilderungen“ hat man den Vorteil, dass viele Augen auch viel sehen. Wir können hier nur aus Erfahrung sprechen wie die jungen Turmfalken aufpassen und sich gegenseitig warnen, wenn ein Feind in der Nähe ist.
Die richtige Durchführung der Freilassung durch den Wildflug
Die Durchführung darf nur von Sach- und fachkundigen Leuten durchgeführt werden. Die praktische Durchführung der beschriebenen Freilassungsart von Jungvögeln ist nicht so einfach wie es sich im Text darstellt. Macht man es falsch, zahlen die Tiere meist mit ihrem Leben! Fingerspitzengefühl ist hier gefragt!
Gegner zu dieser Methode begründen, dass die Jungtiere zu vielen Gefahren draußen ausgesetzt werden. Dem können wir nicht zustimmen, da die Entwicklung analog zur Natur verläuft. Die Entfernung vom Freilassungsturm läuft in Etappen ab, der Aktionsradius wird von Tag zu Tag größer. Wir konnten selber beobachten, wie ein Turmfalke aus der Gruppe von einem Sperberweibchen attackiert wurde. Dies beobachteten die anderen „Geschwistertiere“ und speicherten diese Gefahrensituation sofort ab. Die Gruppenerfahrung gibt mehr Sicherheit beim frühzeitigen Erkennen von Gefahren. Greifvogelsilouhetten wurden z. B. am Himmel schnell bemerkt und durch Warnrufe an alle anderen Falken sofort mitgeteilt.
Folgendes Video zeigt Einblicke wie sich bei uns in der Pflegestation die Falken verhalten haben. Diese Art der Freilassung bei Jungtieren ist nicht nur richtig, sie macht auch noch wirklich Spaß. Denn man nimmt täglich Teil daran, wie die Vögel sich entwickeln und alle Fertigkeiten perfekt erlernen.
Wissenswertes
Übrigens, junge Turmfalkenmännchen sehen im ersten Lebensjahr weibchenfarbig aus.
Der graue Kopf und das graue Schwanzgefieder wird erst mit der nächsten Mauser deutlich sichtbar. Nur einige Terzel zeigen im Jugendgefieder deutliche graue Ansätze.

Folgendes Video zeigt einen Einblick zu unseren Waldkauzpatienten, einige Szenen sind in unserer Station bei der Wildflugphase der Waldkäuze entstanden.
Hier finden Sie noch einen weiteren Artikel über die Wildflugmethode zur Auswilderung von jungen Schreiadlern – Hacking Methode.
Wir möchten an dieser Stelle dringend davor warnen, dass man absolutes Fachwissen benötigt, um die Tiere sicher in den Wildflug zu stellen. Es gibt viele Fehlerquellen die aus Unwissenheit entstehen können und es kommt nicht zum erwünschten Erfolg, sprich die Tiere kehren nicht zurück zum Freilassungsort und zahlen es mit dem Leben. Man muss denken wie ein Falke oder denken wie eine Eule!
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