Ende Mai, Anfang Juni jeden Jahres wiederholt sich immer wieder ein Prozedere, welches wir in Pflegestationen als sogenannte „Bodenlandung“ betiteln. Diese Begrifflichkeit hat sich insbesondere bei jungen Wanderfalken festgesetzt und man meint damit, dass junge Wanderfalken bei ihren ersten Flügen im Leben leider am Boden gelandet sind. Dieser Vorgang ist eigentlich natürlich und kommt in der Natur immer wieder vor. Doch seit dem Wanderfalken gelernt haben auf Gebäuden zu brüten, landen die meisten gescheiterten Ausflüge mitten in der Stadt.
Die Vögel selbst befinden sich beim Gefiederwachstum noch in dem Stadium, dass noch nicht alle Federn komplett gewachsen sind. Die längsten Federn, also die äußeren Handschwingen wachsen noch. Wenn Federn beim Vogel wachsen, werden sie durchblutet. Eine besonders heikle Angelegenheit, wenn die empfindlichen Federn irgendwo anecken. Federverletzungen mit Blutungen können die Folge sein bis hin zum Ausfallen der wichtigsten Federn am Flügel.

Wanderfalken suchen als Gebäudebrüter in der Regel eine Kirche, Wassertürme oder in Industriegebieten Kraftwerke auf, denn an diesen Gebäuden wurden etliche Nisthilfen für diese Greifvogelart angebracht.
Die Gefahr bei Bodenlandungen der jungen Wanderfalken besteht darin, dass sie sehr schnell weiter verunglücken können, wie durch den vorhandenen Autoverkehr. Zwar sind Wanderfalken absolute Flugkünstler, doch Jungtiere müssen diese Wendigkeit erst erlernen und meist sind noch nicht alle Federn komplett ausgewachsen. Es fehlt weiter an Flugmuskulatur und Erfahrung, um den häufig steilen Weg wieder zum Gebäude hoch zu schaffen.
Schnell greifen tierliebe Bürger ein und retten den Wanderfalken oder die Feuerwehr wird gerufen.

Falken dürfen niemals in Käfigen untergebracht werden, denn Gitterstäbe bergen eine hohe Gefahr, dass die überlebenswichtigen Federn abbrechen! Bitte einfach einen Karton nutzen, denn in diesem sind sie ruhig, da es darin dunkel ist. Aber wichtig ist bei jedem abgestürzten Tier auch eine tierärztliche Untersuchung, damit keine Verletzungen vom Absturz übersehen werden. Ein Zurücksetzen an den Brutplatz ist nur wenigen Personen erlaubt und muss von routinierten Wanderfalkenspezialisten übernommen werden. Denn auch das Zurück setzen ist von erneuten Gefahren geprägt. Falken haben nämlich in der Regel einige Geschwister die noch oben in der Kirche sitzen. Das allerschlimmste was passieren kann, ist dass man einen Vogel zurücksetzen möchte und die anderen Geschwister sich bei dieser Aktion vor dem Menschen erschrecken und Hals über Kopf ebenfalls abstürzen. Das Problem Absturz ist dann noch viel größer.
Doch unser Falkenweibchen, welches von den Dommitarbeitern „Barbara“ getauft wurde hatte wirklich Glück. Mit einem großen Schreck kam sie davon. Wurde zügig aufgegriffen und innerhalb eines Tages über Umwege an uns vermittelt.
Unser erste Jungfalke in diesem Jahr ist ein richtiger „Dom-Falke“, denn sie ist am wunderschönen Aachener Dom zur Welt gekommen. Am 12. Mai wurde sie und ihre drei Geschwister dort oben in luftiger Höhe mit Vogelwarten-Ringen versehen. Somit ist Barabara seit dem unverwechselbar mit der Kennnummer 2 SN gekennzeichnet.
Eine Rückführung solcher Bodenlandungen sollte wenn Verletzungen und Krankheiten sicher ausgeschlossen sind, schnellstmöglich durchgeführt werden. Denn die Falken müssen im Familienverband bleiben.
Bei Barabara konnten mittels mikroskopischer Untersuchung bei uns Haarwurmeier in den Kotausscheidungen gefunden werden, sowie Milben einer unbestimmten Art.

Da Haarwürmer bei Greifvögeln häufig vorkommen und über Beutetiere übertragen werden, ist der Befund kein seltener. Dennoch wissen wir aus tiermedizinischer Sicht sehr genau, welch ein Schaden ein Haarwurmbefall im Greifvogelkörper anrichten könnte. Daher zogen wir es vor die Chance zu nutzen, ihr eine Wurmkur zu geben.
Barabara konnte nach ihrem kurzem Ausflug nach drei Tagen „Bed and Breakfast“ bei uns wieder hoch in den Dom gebracht werden. Bei der Rückführung wollte sich der Dompropst nicht die Möglichkeit nehmen lassen persönlich dabei zu sein. Dank einer perfekten terminlichen Koordination mit der Dombauhütte verlief alles Hand in Hand.
Dadurch dass der Nistkasten in luftiger Höhe mittels Webcam überwacht wird, konnten wir die Rückführung auf dem Bildschirm sofort vor Ort als geglückt überwachen. Barabara merkte sofort, dass sie wieder zu Hause war.
Nun haben die Elternvögel noch eine Menge damit zu tun, dem Nachwuchs in den nächsten Wochen das Jagen im Luftraum über Aachen beizubringen. Drücke wir ihr und den Geschwistern die Daumen!
Eine weitere Geschichte zu einem jungen Wanderfalken finden Sie hier. Wir sprechen hier auch vom Rotfalke, weil sie ein rötliches Federkleid im Jugendkleid tragen. Folgender Falke war besonders rot: ein-wortwoertlicher-rotfalke
Das folgende Video zeigt eine Rückführung eines jungen Wanderfalken in der Kirche Schiefbahn/Willich. Der Aufgang ist sehr eng.