Wildbahnfähigkeit

Was heißt eigentlich Wildbahnfähigkeit?

Ein wichtiges Thema rund um die Greifvogel- und Eulenpflege ist die Wildbahnfähigkeit nach erfolgter Rehabilitation in Gefangenschaft.

Greifvögel sind geschickte Flieger und benötigen eine hervorragende Fitness, um in der Natur überleben zu können.

Greifvögel sind aufgrund ihrer Lebensweise hoch spezialisierte Tiere. Zu diesen Spezialisierungen gehört zunächst einmal das Gefieder, welches nur in einem vollständigen und unversehrten Zustand das Überleben in freier Wildbahn sichern kann. Sie sind geschickte Flieger, die bei der Jagd Spitzenflugleistungen erbringen. Hier sind besonders die Wanderfalken hervorzuheben, welche maximale Sturzfluggeschwindigkeiten von 280 bis 350 km/h erreichen können. Hierzu gibt es auf Youtube ein sehenswertes Kurzvideo (1:20min)

 

Habichte und Sperber sind wiederum wendige Flugkünstler unter anderem im bewaldeten Lebensraum und sind auch in Wohngebieten immer häufiger anzutreffen.

Auch zu dieser Greifvogelart haben wir ein tolles You tube Video zur Darstellung, welches sehr schön zeigt welche Flugkünstler Habichte wirklich sind. Mehrere Tests wurden mit einem falknerisch gehaltenen Habicht durchgeführt und dokumentiert – aber schaut am besten selbst:

Hier ein hervorragendes Video von den Flugkünsten der Sperber

Zugvögel wie z. B. Baumfalken und Wiesenweihen benötigen eine sehr gute Kondition für weite Strecken.

Die Hochleistungsflieger der Arten Wanderfalken, Baumfalke, Sperber, Habicht und weitere, müssen unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. mehrere Wochen oder Monate Volierenhaltung in der Pflegestation) wieder falknerisch trainiert werden. Ähnlich zu vergleichen mit einem Hochleistungssportler, der aufgrund einer Krankheit pausieren musste. Muskelwerte wie Lactatwerte oder der Hämatokritwert verändern sich, wenn ein Vogel plötzlich wegen Krankheit bzw. Verletzungen sich kaum noch bewegt. Es wird zwangsläufig Flugmuskulatur durch Inaktivität abgebaut. Auch ständig satt gefütterte Volierentiere bewegen sich nicht genügend, da es nicht notwendig für diese erscheint.

 

Doch die Natur kennt nur 100% und ein Greifvogel muss perfekt auf die Wildbahn wieder vorbereitet werden. Und das ist die Aufgabe einer Auffangstation.

Mehr zum Thema Wildbahnfähigkeit und Monitoring der Greifvögel: Rehabilitation_Wildbahnfähig_Greifvögel

Folgendes Video soll veranschaulichen wie solch ein Training bei einem Wanderfalken durchgeführt wird. Das kann mit jedem wilden Falken durchgeführt werden.

Es zeigt gut nachvollziehbar, welche Leistung ein Wanderfalke in der Natur erbringen muss.

Seine gezeigten Flugmanöver sind typisch beim Federspieltraining. Es wird mit einem Stangenfederspiel eine fliegende Beuteatrappe vor ihm her gezogen. Beim Training werden diese „Durchgänge“ langsam gesteigert. Der Vogel wäre nach dem gezeigten Video wildbahnfähig, da er ausdauernd fliegt und hervorragende Stöße zeigt. Das eine solche Leistung in keiner Voliere möglich ist, sollte spätestens jetzt verständlich sein. Ein Aushungern der Greifvögel, um sie gefügig zu machen, ist immer wieder eine falsche Behauptung von Falknerei-Gegnern. Wenn man mal logisch über diese Flugleistungen nachdenkt, ist diese nur mit absoluter Motivation und bestem Futtergaben möglich. Andernfalls wäre ein Vogel nicht in der Lage so ausdauernd zu fliegen und wäre ruckzuck erschöpft. Ohne die Kunst der Falknerei, würden sicher einige Tiere auf der Strecke bleiben, da die Volierenhaltung dieser Wildtiere sich nicht sehr positiv auf die körperliche Kondition auswirkt. Somit würde ein unmittelbarer Übergang von der Voliere oder Pflegebox in die Natur nicht sehr förderlich sein und dem Vogel deutlich schlechtere Überlebenschancen in der Natur bieten.

Die Arbeit in einer Pflegestation ist sehr komplex und wir tragen eine Menge Verantwortung für jedes Lebewesen. Wir wünschten uns für die Zukunft eine noch bessere Zusammenarbeit mit allen Menschen, die für den Tierschutz aktiv sind, denn nur gemeinsam sind wir stark.

Zu den wichtigsten Körperteilen gehören die Füße, die auch Fänge genannt werden. Mit ihren kräftigen Fängen erlegen die Greifvögel ihre Beutetiere. Da die Beutetiere sehr unterschiedlich groß sein können, findet man beim Aufbau der Greifvogelfüße eine entsprechend große Variationsbreite mit gezielten Anpassungen.

Habichtfang_adult
Der Fang eines Habichtweibchens

Beim Habicht sind die Fänge auffallend stark entwickelt. Beim fast gleichgroßen Mäusebussard sind diese aber wesentlich schwächer ausgebildet. Der kleine Sperber hat sehr lange filigrane Beine und dünne Zehen mit nadelspitzen Krallen. Besonders die langen Zehen eignen sich sehr gut zum weiten Umfassen der Beute und deuten darauf hin, dass die betreffende Greifvogelart häufig fliegende Tiere fängt (diese Eigenschaft trifft z. B. auf den Wanderfalken, Habicht und Sperber zu). Bussarde, Adler, Weihen, Milane usw. sind vornehmlich Grifftöter, sie töten ihre Beute durch kräftiges Zupacken und kneten diese mit den Fängen. Die Fänge müssen also beim Greifvogel völlig einwandfrei funktionieren, damit er erfolgreich jagen kann.

Hochentwickelte Sehleistung

Als weitere Hochleitungsorgane sind die Augen zu nennen. Greifvögel und Eulen haben große Augen, mit denen sie Objekte und vor allem Beutetiere in Entfernungen von 700 bis 1000 Metern (!) noch sehen können. Die Augen sind um ein vielfaches lichtempfindlicher als menschliche Augen.

Seeadler_Auge

Bei Taggreifvögeln wurde festgestellt, dass sie dazu fähig sind, im UV-Bereich des Spektrums zu sehen. Sie können Kot- und Urinspuren von Kleinnagern erkennen und wissen somit, wo am wahrscheinlichsten Beute zu finden ist. Eulen und Käuze haben riesengroße Augen im Verhältnis zu ihrem Schädel. Diese sind besonders lichtempfindlich, was das Jagen in der Dämmerung und nachts gut ermöglicht.

Das Geräuschlose Fliegen der Schleiereule – Das Experiment:

Spätestens jetzt wird einem bewusst, dass wir es hier mit zu extremen zu Hochleistungen befähigten Spezialisten zu tun haben. Nur bei perfekter Leistungsfähigkeit haben Greifvögel realistische Überlebenschancen in der freien Natur. Denn die Natur kennt als Überlebensfaktor nur 100 Prozent.

Ein weiteres Beispiel: wenn nestjunge Sperber von Hand aufgezogen werden müssen, dann haben sie in der Natur später nur eine Chance zu überleben. Sie müssen mit der Wildflugmethode vorbereitet werden. Sie müssen während der Bettelflugzeit durch uns zugefüttert werden, damit sie Zeit haben zu erlernen, wie man Singvögel erfolgreich erbeutet. Jungsperber benötigen viele Woche um ihre Jagdstrategie zu verfeinern, um letztlich ohne meschliche Hilfestellung sich selbst erhalten zu können. Wie das funktioniert kann man hier sehen:

FAZIT:

Mit defektem Gefieder kann der Vogel nicht richtig fliegen und jagen, mit verletzten Augen kann der Vogel seine Beute nicht erkennen und gezielt fangen. Mit verletzten Füßen kann er seine Beute nicht richtig ergreifen und töten. Mit verletzten Flügeln kann er nicht fliegen und somit auch nicht jagen. Er würde verhungern. Greifvögel aber auch Eulen sind durch und durch perfekter Vögel, welche alle Eigenschaften benötigen um zu überleben.

Grundsatz Tierschutz

Das Ziel jeder Behandlung sollte bei erkrankten Wildvögeln die Wiederherstellung der Wildbahnfähigkeit sein. Welche Anforderungen hier an den Vogel gestellt werden, habe ich im vorherigen Text beschrieben. Ist abschätzbar, dass dieses Ziel nicht erreicht wird, muss der Patient aus Tierschutzgründen schmerzlos eingeschläfert werden. Er darf nicht den Rest seines Lebens als Dauerpflegefall in einer Auffangstation oder zoologischen Einrichtung fristen, als lebender Beweis für falsch verstandene Tierliebe.

Es ist absolut kontraproduktiv und nicht im Sinne des wilden Greifvogels, gegen die Falknerei zu wettern. Vögel, die bei uns falknerisch trainiert werden, werden meistens nur auf gute körperliche Fitness trainiert. Die meisten Vögel müssen das Jagen nicht erlernen, da sie es bis zum Unfalltag bereits konnten. Weg fliegen tun sie alle, aber ein hochspezialisierter Greifvogel muss auch selbst wieder jagen können, um letztendlich in der Natur wieder überleben zu können. Selbst die größten Volieren sehen schön aus, aber die Vögel sind darin in der Regel satt gefüttert und bewegen sich nur das nötigste.