Am 29. Oktober 2015 erhielten wir eine Email aus Namibia, in der wir um Hilfe gebeten wurden. Denn dort war ein Eulenbaby durch einen herabstürzenden Ast aus dem Nest gefallen und brauchte dringend menschliche Hilfe. Das Nest wurde dabei fast vollständig zerstört. Dieser Hilferuf ist so zu verstehen, dass deutsche Segelflieger, die im Ausland arbeiten oder leben, einen hilfsbedürftigen Vogel finden und dann über das Internet uns als Ansprechpartner gefunden haben. Soweit ist es nicht so außergewöhnlich für uns, dass wir auch Anfragen aus aller Welt bekommen. Zeitgleich kamen auch Anfragen aus Ägypten und der Türkei. Doch in diesem Fall war es nun eine Herausforderung für uns beide. Da die Eule erst wenige Tage alt war, es also noch ein Nestling war, wurde die Artbestimmung nicht einfach für uns und stand zunächst auch nicht im Vordergrund.

Die Eule hatte die Augen noch geschlossen und dies verriet uns, dass der Schlupf noch nicht so lange her war. Ein Glück war es in Namibia um diese Jahreszeit doch schön warm (tagsüber 30 bis 40°C), da ist eine Unterkühlung des jungen Tieres ohne Muttertier nicht so häufig ein Problem wie bie uns in Deutschland. Ein Hitzestich wäre wohl wahrscheinlicher eingetreten, wenn der Vogel nicht gerettet worden wäre. Stefan, der tierliebe Finder, nahm die kleine Eule auf und suchte bei uns nun Tipps wie man am Besten vorgeht.
Der Fundort sah ganz spannend aus, denn die Eule wurde unter einem Baum gefunden, in dem Webervögel riesige Nester gebaut hatten.
Webervögel (Siedelweber Philetairus socius) bauen riesige Gemeinschaftsnester, welche gerne als Nest-Plattform von Eulen und Adlern genutzt werden.
Diese Nester wurden zu einer richtigen Last für den Baum und schließlich stürzte nach einem Gewitter ein großer Ast mit Teilen des Webervogelnestes herunter. Die Nester dienten hier als Nist-Plattform und gaben zugleich einen Sonnen- und Regenschutz für die Eulenbrut.

Hier in Deutschland würden wir dem Finder sofort raten solch ein Tier zur Aufzucht in eine Pflegestation zu bringen. Doch in Namibia ist die nächste Pflegestation mindestens 300km entfernt gewesen, nämlich in Windhoek: Namibia Animal Rehabilitation Research & Education Centre.
Stefan traute sich aber zu, den kleinen hilfebedürftigen Vogel unter unserer Anleitung aufzuziehen, obwohl er so etwas noch nie zuvor gemacht hatte. Außerdem haben Segelflieger einen starken Bezug zu Greifvögeln, da sie oft mit ihnen im selben Aufwind kreisen. Für Stefan war es also eine gern angenommene Herausforderung eine Aufzucht zu versuchen. Für uns ist es immer eine Gratwanderung sich in eine Situation und die Möglichkeiten im Ausland hineinzudenken und dann der helfenden Person alle notwendigen Grundlagen für eine erfolgreiche Aufzucht zu vermitteln. Das Thema der richtigen Nahrung ist natürlich einfach und schwierig zugleich. Was bei uns hier recht problemlos zu beschaffen ist, kann man so einfach vor Ort nicht umsetzen. Der Finder musste in der Not dem kleinen Eulchen Rind- und Hühnerfleisch in kleinen Portionen geben. Eine ausschließliche Gabe von solch leicht erreichbaren Fleisch wäre aber schnell schädlich für den wachsenden Vogel gewesen. Wir machten uns Sorgen und wir überlegten gemeinsam, wie wir dem Vogel am sinnvollsten ernähren konnten, ohne dass ein Nährstoffmangel entstehen könnte. Vögel wachsen schnell und benötigen hochwertiges und natürliches Futter. Eben wie in der Natur. Hier müssen also täglich Knochenbestandteile verabreicht werden, damit genügend Kalzium für das Wachstum vorhanden ist. Stefan versuchte dies so gut wie möglich mit zermahlenen Eierschalen und Nahrungsergänzungsmitteln umzusetzen. Es dauerte nicht mehr lange, dass die kleine Eule die Augen öffnete. Eulenjungtiere öffnen mit etwa zehn Tagen erst die Augen. Jetzt wurde es spannend welche Augenfarbe es hat und wir hatten eine größere Chance die Eulenart bestimmen zu können. Schließlich war es klar, der Finder hatte einen Fleckenuhu (Bubo africanus) gefunden.
Er errichtete einen Nestersatz und führte regelmäßig kontrollierte kurze Sonnenbäder am Abend mit dem Eulchen durch.

Sonne ist sehr wichtig für den Kalziumstoffwechsel und bei wachsenden Tieren überlebenswichtig. Auch bei Eulen, die nachtaktiv sind, denn sie würden auch am natürlichen Brutplatz Sonnenlicht abbekommen. Wie viel solch ein Tier täglich zu fressen bekommen muss, ließ sich nicht so einfach beantworten. Hier ist eine Gewichtstabelle der Schlüssel zum Erfolg und ergänzend die Beobachtungen des Bettelverhaltens. Es gelang nun mit ein paar Tricks auch vor Ort Heuschrecken, kleine Vögel, Fledermäuse und Nager zu fangen und zu verfüttern, denn diese sind hochwertige Nahrungsmittel und werden von den Eulen in der Natur gefressen. Die Heuschrecken in Namibia sind auch eine Nummer größer als die hiesigen und schmeckten dem Fleckenuhu gut.

Der kleine Uhu wurde schließlich „Biwa“ getauft und alle Segelflugpiloten vor Ort hatten ihn schon längst ins Herz geschlossen.

Die kleinen Füße wurden immer größer und kräftiger und das Großgefieder war nun schon langsam zu sehen.
Nachdem die Futterversorgung kein großes Problem mehr darstellte, freuten wir uns, wie der kleine Uhu langsam ein mittelgroßer Uhu wurde. Das Wachstum war durchaus rasant. Zwischen dem 15. und 17. LEbenstag legte der Vogel 25% seines Körpergewichtes zu, von 150g auf über 200g! Besonders fassungslos waren alle Beobachter, wie der kleine Uhu seine erste Maus in einem Stück herunterschlang. Eine Einheimische, die das Ganze mit ungläubigen Blick beobachtete meinte danach nur „wenn dieser Vogel groß ist, wir er uns fressen“.

Biwa genoss regelmäßig die Sonne und machte ab und zu ein Sonnenbad. Ihre Augen wurden immer gelber und sie wurde von Tag zu Tag schöner und majestetischer. Wenn Sie „Freigang“ draußen hatte, ließ Stefan Biwa nicht aus den Augen, da auf dem Gelände auch ein freilaufender Hund anwesend war. Dieser hatte zwar die „Anweisung“ den Uhu in Ruhe zu lassen, aber man weiß ja nie….

Hier steht er auf der Wiese und erkundet schon neugierig seine Umwelt. So lange er noch nicht fliegen konnte, ging es nachts vorsichtshalber wieder mit ins Haus. Ab Mitte Dezember konnten immer häufiger Flugübungen beobachtet werden. Es sah manchmal noch etwas ungeschickt aus, aber Übung macht bekanntlich den Meister.

Anfang Januar war Biwa schon fast ausgewachsen und war wie es Eulen bekanntlicher Weise im jüngsten Alter sind, total verspielt. Biwa trainierte ihre Fänge und griff hierbei zum Beispiel ein Brillenetui.

Im Januar konnte Biwa schon sehr gut fliegen und lernte nachts das Licht der Laternen sinnvoll nutzen, um einfach an große Insekten zu kommen. Fleischstückchen bekam der Uhu noch regelmäßig vor Ort „zugeworfen“, welche gut gefangen werden konnten. Diese komplette Auswilderungsmethode nennt man Wildflugmethode und führen wir hier in Deutschland ebenso mit jungen Eulen durch. So kann der Vogel seine Umgebung langsam erkunden und wird eine Zeit lang (ca. drei Monate) betreut, bis die völlige Stelbstständigkeit eingetroffen ist.

Am 22. Januar, also im Alter von ca. drei Monaten fing Biwa den ersten Singvogel! Vögel sind dabei die schwierigste Beute, es handelte sich dabei um einen Webervogel. Wir hatten es geschafft, der Fleckenuhu war nun so selbstständig, dass er sich Beute fangen konnte um in der Natur zu überleben. Ein gutes Gefühl zu wissen, dass wir alles richtig gemacht hatten. Eine schöne und auch erfahrungsreiche Zeit hatten wir. Stefan, seine Kollegen und der Rest der Mannschaft vor Ort, die alle ein Auge auf den Uhu hatten. Wir sind gespannt, ob der Uhu im kommende Oktober noch das sein wird. Bis jetzt wird er noch regelmäßig gesichtet. Er hofft wohl vom Koch das ein oder andere Stückchen Fleisch zugeworfen zu bekommen.
Anfang Februar 2016: „Biwa“ ist ein richtiger erwachsener Uhu geworden.
Vielen Dank an Stefan und seine zwei Kollegen, dass wir die Bilder zur Verfügung gestellt bekommen haben und wir die Geschichte in Deutschland erzählen können.